Donnerstag, 30. April 2015
Gdynia - Danzig - Elblag
Wir stehen jetzt vor dem Solidanosc-Denkmal und dem Informationszentrum.
Erinnerungen werden wach an die turbulenten Zeiten um 1970 und die Frei-
heitsbewegung der Polen, die hier ihren Ausgang nahm und die dann auch bei uns die Wende einleitete.
Die Aussenwände des unten abgebildeten Gebäudes bestehen aus rostigen
Stahlplatten und sybolisieren offensichtlich die hier in der Werft hergestellten
Schiffsrümpfe.
Danzig - mehr als 1.000-jährige Stadt an der Mottlau mit wechselhafter Ge-
schichte.
Deutsche, Polen, Kaschuben und Einwanderer aus vielen anderen Länder lebten
und leben hier ziemlich konfliktfrei.
Danzig, im 2. Weltkrieg praktisch vollkommenden dem Erdboden gleichgemacht,
hat sich wie Phoenix aus der Asche zu neuer Blüte emporgeschwungen.
Es ist wie ein Wunder, daß mehr als 700 Bauwerke nach alten Plänen mit wenig
Mitteln nach dem Krieg von den Polen neu aufgebaut werden konnten.
Chapeau!
Die historische Altstadt ist ein Gedicht. Keine Hausfassade in der Innenstadt
gleicht der anderen und stundenlang kann der Besucher hier verweilen und
Langeweile wird nicht aufkommen.
So schlendern wir staunend durch das Herz der Altstadt, die Langgasse, und
nutzen um die Mittagszeit die Gelegenheit zum Probieren polnischer Kochkunst in einem entsprechenden Restaurant.
Ich wage mich an eine saure Mehlsuppe mit einer Einlage aus Weißwurst, Pilzen und gekochtem Ei und hinterher an Pieroge (gefüllte Teigtaschen).
Man muß sich nur trauen und wird feststellen, daß auch andere Nationen mehr als leckere Gerichte in ihrer Speisekarte haben.
Es ist jetzt früher Nachmittag. Wir sind zurück am zentral gelegenen Stellplatz
und wollen weiter nach Malbork (Marienburg).
Schon jetzt tobt heftiger Verkehr in den Straßen. Kein Wunder, morgen ist
1. Mai und die Polen freuen sich offensichtlich auf in ein langes Wochenende.
Nach endloser Kurbelei hinter dem Lenkrad, teilweise schlechten Straßen und
verschiedenen Umleitungen erreichen wir die Marienburg.
Leute, hier ist was los. Menschen und Autos ohne Ende und es geht wirklich nur
schrittweise voran.
Offensichtlich wird im Bereich der Burg ein mittelalterlicher Markt errichtet und
so begegnen wir schon jetzt Rittern in vollem Harnisch, elegant gekleideten
Edelfräuleins und Gauklern in buntem Gewand.
Die Marienburg ist ein Monument aus rotbraunem Ziegel direkt am Fluss Nogat.
Jetzt UNESCO-Weltkulturerbe, wurde um 1300 mit dem Bau durch den Deut- schen Orden begonnen und war lange Zeit ihr Machtzentrum und Sitz des Hochmeisters.
Später polnisch und dann auch zerstört durch Schweden und Preussen hat sie
so eine mehr als wechselvolle Geschichte hinter sich.
Wir bleiben nicht hier, es ist uns zu lebhaft und so finden wir unser Nachtlager
in Elblag nahe des Doms.
Freitag, 1. Mai 2015
Elblag
1. Mai - Tag der Arbeit - bei uns ein Ruhetag, bzw. kümmern wir uns um viele Kleinigkeiten rund um's Mobil und die Website.
Wir sind mit Letzterer auf dieser Reise bisher immer hintendran, da wir auf dem
Land fast kein stabiles Netz finden. Nur in den grösseren Städten ist die Situa- tion einigermaßen normal.
Es regnet heute seit dem späten Vormittag. Im Moment legt der Regengott eine Verschnaufpause eingelegt, die wir zu einem kleinen Stadtrundgang nutzen.
Elblag wurde während des Krieges wie Danzig dem Erdboden gleichgemacht.
In Danzig wurden die Häuser rekonstruiert, während man in Elblag auf dem
Grundriß der alten Häuser neue errichtete mit angepassten Fassaden.
Wir finden das eine gute Idee und die Umsetzung auch sehr gelungen.
Eine am Stadttor stehende, ca. 140 cm hohe Statue, zeigt einen Helden der Stadt - einen Bäckerjungen.
Dieser bemerkte zur Zeit des Deutschen Ordens dessen Anrücken und schnitt
wohl mit der Schaufel das Seil des damit hochgezogenen Torgitters durch. So konnte der Feind nicht ungehindert in die Stadt eindringen.
In Elblag beginnt der Oberländer Kanal, der bis Ostróda führt. Den Kanal mit
einer wirklichen Besonderheit werden wir wohl am Samstag besuchen und dann
berichten.
Samstag, 2. Mai 2015
Elblag - Oberländer Kanal bei Jelonic - Frombork - Pieniezno
Die Farbe des Himmels hat sich in ein freundliches weiß-blau gewandelt und wir
sind unterwegs, uns diesen Oberländischen Kanal anzusehen.
1860 wurde mit dessen Bau begonnen und 16 Jahre später von den ersten
Schiffen befahren.
Über 16 schiefe Ebenen muss ein Höhenunterschied von ca. 100 m überbrückt
werden.
Dazu werden die Schiffe in ein Tragegestell übernommen und mittels Seilzug,
Schienen und ausschließlich durch Wasserkraft über Land gezogen.
Ein technischer Geniestreich, da einfach, robust und sehr effektiv.
Leider findet zu dieser Jahreszeit noch kein Schiffsverkehr statt und so wenden
wir uns Richtung Frombork um unserem "Freund" Nikolaus Kopernikus einen Be-
such abzustatten.
Allerdings treffen wir ihn nicht an, da er bereits 1543 starb. Seine astrono- mischen Erkenntnisse aber krempelten die damalige Weltsicht komplett um.
Ein anschließender Blick auf das Frische Haff läßt uns frösteln, wegen des grauen Wassers und des eiskalten Windes, aber auch weil hier auf der Flucht vor
den anrückenden Russen im 2. Weltkrieg tausende von Frauen und Kinder jäm-
merlich ertranken.
Das Eis des Haffs brach unter der Last von 450.000 Menschen und durch die
Bomben der russischen Flugzeuge. Das Ergebnis muß grauenvoll gewesen sein.
In Pieniezno finden wir auf einem privaten Stellplatz Christl und Rudi wieder.
Ein schönes Plätzchen ist das hier. Hannibal steht auf kurzer Wiese und Moos,
die Sonne scheint und hier werden wir wohl 2 Tage bleiben.
Sonntag, 3. Mai 2015
Pieniezino
Tiefblauer Himmel und + 10°C zum Erwachen. Das ist doch mal was!
Heute ist Waschtag, für unsere Leiber und unsere Wäsche.
Bei Öffnen der Hecktüren bemerke ich im Gepäckraum etwas Feuchte, denke
an Kondenswasser, aber wenig später findet sich die undichte Aussendusche
als Verursacher.
Dafür habe ich keinen Ersatz und so will ich die beiden Zuleitungen (Warm-Kalt-
Wasser) mit Verschlußstopfen schliessen.
Die Elektrik schalte ich dazu vorher ab und durchtrenne den ersten Schlauch.
"Frank, du Depp" schießt es mir augenblicklich durch den Kopf, als mich der
kalte Wasserschwall trifft und den Gepäckraum unter Wasser setzt.
Habe ich doch vergessen, vorab einen Wasserhahn zu öffnen um den Druck in
der Leitung abzubauen.
Jetzt habe ich den Salat!
Der Wasserfluß scheint nicht aufhören zu wollen und meine Versuche ihn zu
bändigen scheitern kläglich.
Nun gut, der Rest ist dann noch Routine.
Die beiden Wasserschläuche sind ordnungsgemäß verschlossen und das Wasser
im Womo weicht langsam der Trockenheit.
Helge ist mit der Wäsche fertig und zusammen ordnen wir die Inhalte unserer
Gepäckcontainer neu. Wurde auch Zeit, denn anlässlich unserer Abreise haben
wir schnell, schnell alles etwas unorthodox zusammengestellt.
Sauber, nun sind wir fertig und ausgerechnet jetzt bewölkts sich der Himmel.
Also nichts mit sonnen. Das war somit ein Tag der Arbeit.
Montag, 4. Mai 2015
Pieniezno - Lidzbark - Liski - Wegorzewo
Um 7.00 Uhr schiebe ich verschlafen die Jalousie hoch. Eine Welt in grau und
etwas Wasser von oben erwarten mich.
Was soll's, ich schließe die Verdunkelung wieder, drehe mich um und ziehe die
Bettdecke über den Kopf.
"Blos koi Hektik" sagt der Schwabe und schon garnicht bei solch einem Wetter.
Ab 8.00 Uhr beginnen wir mit der morgentlichen Routine und anschließend, da
Abfahrtstag, folgt eine komplette Ent- und Versorgung für unseren Hannibal.
Christl und Rudi sind bereits weg. In 2 Tagen wollen wir uns in Wegorzewo
wiedersehen.
Jetzt führt uns der Weg nach Lidzbark und zwar zu Lidl!. Großeinkauf und eine
Palette Weißbier für mich.
Da helfe ich Helge gerne beim Einkauf und dem anschließenden Verstauen.
Das Heck unseres Mobils bleibt stoisch in Position, trotz der Menge zusätzlichen
Gewichts. Da freut sich der Besitzer doch über seine Investition in eine Zusatz-
luftfederung.
Wieder begleitet uns, links und rechts der Fahrbahn die Weite und Einsamkeit
dieser Landschaft.
Wir stellen fest, daß jetzt der Frühling kommt. Die Welt färbt sich hier durch Raps und Getreide in gelb und grün.
Die meisten Häuser, die hier so wahllos in der Gegend verstreut liegen, geben
sich mit 1.000qm Grundstück nicht zufrieden. Unsere Stellplatzbesitzer z.B.
besitzen 5 ha inkl. Teiche und einer Flußseite.
Früher, bis zum Kriegsende, war dies die Region der Gutsherren, der von Lehn-
dorffs und der von Dönhoffs.
Sie züchteten die berühmten Trakehner und ihre Anwesenheit hier reichte teil-
weise bis ins 15. Jahrhundert zurück und ihr Ansehen und ihre Macht waren groß.
Sie verloren alles gegen Kriegsende und die Zucht ihrer Pferde, der Trakehner,
war damit besiegelt.
In Liski wird aber noch heute gezüchtet. Keine Trakehner mehr, sondern Wiel-
kopolskie-Pferde, eine großpolnische Pferderasse.
Wir besuchen das Gestüt nach mehreren Kilometern tausendfach geflickter,
schmaler Straße.
Die Koppel ist voller Einjähriger, zutraulich und teilweise bissig, alle aber unge-
stüm.
In einer großen Box finden wir 3 Mutterstuten mit ihren Fohlen.
Ansonsten macht alles leider doch einen etwas ärmlichen Eindruck.
Am Wegesrand, ringsum nur grün, verweilen wir 2 Stunden. Helge kocht und
ich notiere für die Website.
Am späten Nachmittag werden wir dann wohl in Wegorzewo eintreffen und dort
bleiben.
Hoffentlich gibt's Internet - ich bin schon wieder Tage hinterher.
Dienstag, 5. Mai 2015
Wegorzewo - Wegorzewo/Badeplatz
Christl hat heute Geburtstag!
Wir stehen seit gestern Abend hier am Sportplatz und haben bestens geschla- fen und eine morgentliche Sonne gibt's kostenlos zum Frühstück.
Mit Internet ist auch hier in einer grösseren Stadt nichts. So langsam verliere
ich die Lust.
Den Stellplatz, auf welchem wir uns heute mit Christl und Rudi treffen wollen,
gibt's nicht mehr. Der Straßenbau hat ihn gefressen.
Jetzt hoffen wir, daß wir die Beiden auf dem Alternativplatz treffen werden. So
packen wir unseren Krempel zusammen und machen uns auf die Socken.
Nun stehen wir nach einigen Kilometern auf einem erdigen Parkplatz an einem
ursprünglichen See.
Schön ist's hier - siehe Fotos. Blauer Himmel, kleine weiße Wölkchen und zwei
junge Polinen, die doch tatsächlich im saukalten See baden. Ansonsten Ruhe!
Stühle raus und die nächsten Stunden in die Sonne blinzeln.
Um 15.00 Uhr biegen Christl und Rudi um die Ecke. Sie haben als erfahrene Wohnmobilisten halt den richtigen Riecher und damit den richtigen Alternativ- platz angefahren.
Es ist Abend und wir sitzen bei einem oder vielleicht auch mehreren Gläsern Wein zusammen und der Mond und die Sterne gucken uns durch's Fenster dabei zu.
Mittwoch, 6. Mai 2015
Wegorzewo - Puszcza Borecka (Naturschutzpark) - Gizycko
Schon in der Nacht bekamen wir wettertechnisch eine Watschen!
Regen, Regen, Regen ohne Unterlaß.
So verschieben wir unseren Besuch der "Kühe" im Wald (Wisente) und fahren
durch bis Gizycko. Hier haben wir hoffentlich Internet und ich kann den grauen
Tag vernünftig nutzen.
Polen, zumindest der Norden und Osten ist WLan-technisch noch entwicklungs-fähig. Kein Hotspot in den Cafes und Restaurantes und selbst die Fremdenver-
kehrbüros haben nur einen Festnetzanschluß.
Wenn wir da so an das von uns besuchte Schwellenland Marokko denken. Deren
König hat dafür gesorgt, daß auf jedem Hügel ein Sendemast steht und so auch
der letzte Berber im letzen Kaff einen vernünftigen Datenanschluß besitzt.
Also, auch in Gizycko keine Chance für mich. So bin ich gefrustet, da ich liefern
müsste und nicht kann.
Im Yachthafen können wir kostenlos komplett ent- und versorgen und seit zwei
Minuten stehen wir am Luczanski-Kanal.
Und wer steht da noch? Das Team Österreich.
Der Himmel hat seit 14.00 Uhr seine Schleusen geschlossen und allmählich
schimmert am Himmel helles Blau durch das Grau der Wolken.
Zu Viert unternehmen wir eine kleine Wanderung und folgen per Pedes dem
Kanal vom Hafen bis zum nächsten See.
Hier ist es wundervoll. Ab und zu tuckert ein Motorboot auf dem Wasser und
links und rechts davon liegen die Datschen der Einheimischen.
Schon jetzt sind dies privilegierte Grundstücke und so groß, daß problemlos
2 Einfam.-Häuser darauf Platz finden werden.
Alles wandelt sich.
Ach ja, über den Kanal führt eine Drehbrücke. Seit 1827 verrichtet sie handbe-
trieben ihren Dienst.
5 Minuten dauert der Vorgang des Öffnens oder des Schließens und dem Brük-
kenmeister dürfte bei dieser Arbeit wohlig warm werden.
Übrigens ist die Brücke 20 m lang und 100 to schwer.
Donnerstag, 7. Mai 2015
Gizycko - Puszcza Borecka - Mikolaijki
Das Wetter ist bestens und so beschließen wir heute die Riesen des Waldes
im Naturschutzpark Puszcza Borecka zu besuchen.
Helge will unbedingt Wisente gucken! :-)
Unser Navi kennt den Ort nicht und so ist die Fahrt dorthin mit einer längeren Sucher- und Fragerei verbunden, aber letztlich erfolgreich.
Dunkle Flecken im diffusen Waldlicht und erst jetzt schärft sich der Blick und sie
sind deutlich zu sehen, die Wisente.
Deren Bullen erreichen eine Schulterhöhe von 200 cm, eine Länge von 300 cm
und ein Gewicht von max. 1.000 kg.
Das Vergnügen währt nur kurz, dann sind die scheuen Tiere verschwunden.
Lediglich an einer Futterstelle können sie auf Entfernung längere Zeit beobach- tet werden.
Für das bißchen Wisent war es bis hierher eine lange Irrfahrt.
Der Rückweg führt wieder durch europäischen Urwald.
Dichtes, undurchdringliches Unterholz wechselt sich ab mit hohem, lichten Tannengehölz, abgestorbenen Baumflächen und eingestreuten Tümpeln und kleinen Seen.
Dann öffnet sich der Wald und die schmale Straße folgt schnurgerade den
links und rechts sie begleitenden Baumreihen.
In fast jedem Dorf und an vielen Straßenkreuzungen auf dem Land finden sich
geschmückte Kreuze. Auch dies zeigt uns die offensichtliche Verbundenheit der Menschen mit ihrer kath. Kirche.
Nach 70 km kommen wir wohlbehalten in Mikolajki an.
Ein kleines Städtchen an einem großen See mit einer ansehnlichen Seeprome-
nade und großem Yachthafen.
Die Boutiquen führen hier schon ein wirklich exklusives Programm und Helge
und Christl können offensichtlich nur schwer dem Kaufrausch widerstehen.
Ein Restaurant mit weitgeöffneten Fenstern lädt zum Verweilen ein und dies
tun wir dann auch ausgiebig bei Campari, Kaffee und Pilsener Urquell.
Ich verschwinde früher, gehe zum Stellplatz und setze mich mal wieder an den Laptop.